Ost-Timor: Ein junges Abenteuer

Nach vierhundert Jahren portugiesischer Kolonialherrschaft und 25 Jahren indonesischer Unterdrückung können die Timoresen ihr Schicksal nun selbst bestimmen. Auch wenn es in Dili, Ost-Timors Hauptstadt, überhaupt nicht danach aussieht.

Aufmacher: Flagge der revolutionären Front für die Unabhängigkeit von Timor-Leste auf einer Hauswand in Dili.

Wer heute als Tourist durch Dili fährt (und das sind bisher nur 3000-4000 Besucher pro Jahr), wird überraschend viele Internationale treffen, unzählige Botschaften sehen und hauptsächlich australische, indonesische und portugiesische Waren kaufen können.

DSC_0907Ost-Timor ist auf die internationale Hilfe angewiesen, denn das Land verfügt aktuell über keine nennenswerten Produktionsstätten, weder für Waren noch für Nahrung. Zwar wird in einigen Regionen Kaffee angebaut, der auch von global agierenden Unternehmen aufgekauft wird, doch auch diese Produktion erzielt keine entscheidenden Gewinne. Viel Geld verspricht zukünftig die Ölförderung, denn in der timoresischen See (zwischen Ost-Timor und Australien) sind reiche Vorkommen gefunden worden. Noch wird über die Förderung verhandelt und internationale Unternehmen bringen sich in Position.

Auf den Straßen von Dili merkt man davon noch nicht viel. Verglichen mit anderen Hauptstädten asiatischer Länder wirkt Dili ein bisschen schläfrig. In den Straßen plätschert der Verkehr dahin.

Sightseeing in Dili

Die blutige Vergangenheit wird in zwei Museen aufgearbeitet, die Besucher auf keinen Fall verpassen sollten: Das Resistance Museum sowie die Chega! Exhibition. Im Resistance Museum wird die Geschichte des Freiheitskampfes gegen die indonesische Besatzung erzählt. Viele Exponate gibt es nicht, statt dessen wird der Besucher durch große Infowände durch die Geschichte geführt. Wer sich für die Historie interessiert sollte Zeit und Muse zum Lesen mitbringen. Das Museum befindet sich direkt neben der Uni in Dili.

Ebenso interessant, jedoch mit nachhaltigerem Eindruck, fanden wir die Chega! Ausstellung. Chega! heißt der Bericht einer Kommission, die zwischen 2002 und 2005 die Menschenrechtsverletzungen untersuchte, die während der Besatzung durch die Indonesier verübt wurden. Die Ergebnisse des Berichts stehen im Zentrum des Museums, das in einem alten Gefängnisgebäude untergebracht ist. Neben den geschichtlichen Entwicklungen werden Schicksale ehemaliger Insassen dokumentiert. Emotional ist ein Besuch der Dark Cells, die sich in einem der Gebäude befinden. Die kleinen Zellen lassen fast kein Tageslicht herein und zwingen den Besucher sich mit der Situation der Gefangenen auseinander zu setzen. Linktipp: Bilder der Chega! Exhibition von David Palazon.

DSC_0756Sonst gibt es in Dili noch eine Christusstatue (die zweitgrößte nach Rio), eine Statue von Papst Johannes Paul dem Zweiten (groß), die größte römisch-katholische Kirche Asiens, ein paar schöne Strände (White Sands) in direkter Umgebung und einen geschichtsbeladenen Friedhof (Cemeterio Santa Cruz). Direkt hinter Dili erheben sich die Berge und laden zum Wandern ein.

Verkehr

Entweder läuft man in Dili zu Fuß oder schnappt sich ein Taxi oder ein Mikrolet. Letztere sind Minibusse für bis zu 12 Personen. Über Zustand der Fahrzeuge und Preise kann man streiten. In Asien haben wir aber schon viel Schlimmeres gesehen. Über Land geht es mit sogenannten Treks (LKWs mit Sitzbänken auf der Ladefläche) oder Bussen. Wir waren mit privaten Fahrern unterwegs, deswegen haben wir den lokalen Transport nur von Außen beobachtet. Aber wie überall in Asien wird gestapelt. Alles. Menschen, Matratzen, Tiere, Säcke, Stühle. Etwas Unglaubliches passierte uns vor dem Regierungspalast mitten in Dili. Dort gibt es tatsächlich einen Zebrastreifen, an dem Autos auf einer zweispurigen Straße ANHALTEN. Und das in Asien. Wir können es heute noch nicht glauben.

DSC_0749Leider waren wir in der Regenzeit hier und viele Straßen ins Hinterland sind  unpassierbar (wenn einem Leib und Leben wichtig sind). Ost-Timor ist noch nicht überall durch asphaltierte Straßen erschlossen. Eine der besseren Verbindungen führt von Ost nach West an der Nordküste (Dili, Baucau, Com und Tutuala). Schon östlich von Dili wird die Straße schlechter. Um nach Jako zu kommen, der Insel zu der alle Einheimischen wollen, benötigt man ein 4×4 oder kann sich ab Tutuala auf eine ordentliche Wanderung einstellen.

Wir haben kleine Abstecher zu Com und Jako Island gemacht. Com ist für seinen Strand bekannt. Objektiv betrachtet besteht der Ort aus genau einer Straße an der sich eine Handvoll Homestays sowie ein Bugalowresort schmiegen. Davor liegen ein paar Meter weißer Sand. Wer Dilis White Sands erlebt hat, wird beim Anblick von Coms Beach nicht aus den Socken kippen. Schön ist es aber allemal. Und die Einheimischen sind (wie eigentlich überall) sehr freundlich.

Ost-Timors Südseeinsel

DSC_0856Jako Island ist ein unbewohntes Stück Land, das etwa in 20 Minuten mit kleinen Motorbooten von Ost-Timors Ostküste aus erreichbar ist. Auf Jako gibt es nichts außer Palmen, Strand und türkisblaues Wasser. Wer einen Ausflug dorthin plant, sollte unbedingt genug Wasser, Schattenspender und idealerweise etwas zu Essen mitbringen. Ach ja… und die Sonnencreme (und die Kühlbox) nicht vergessen. Isi und ich sind am Strand eingeschlafen und haben ein paar der eben genannten MUSTS nicht befolgt. Die nächsten Tage habe ich mich nicht mehr aus dem Haus getraut, weil ich leicht mit einem Hummer hätte verwechselt werden können… aber nur zwei ordentliche Sonnenbrände in 7 Monaten am Äquator sind kein schlechter Schnitt.

Gegenüber von Jako-Island (auf der Ost-Timor-Hauptinsel) gibt es zwei Bungalow-Anlagen. Beide gewinnen keine internationalen Preise. Eine schien zu unserem Besuch etwas heruntergekommen, beinahe verlassen. Die andere Unterkunft, das Lakumorre Guesthouse, bietet saubere Zimmer, etwas Service und ein Restaurant. Eine Speisekarte gibt es nicht. Es wird gegessen was am Ende der Welt eben verfügbar ist. Um unseren Reis mit Gemüse aufzuhübschen haben wir bei den netten Fischern nebenan einen dicken Fisch erstanden und mitgebracht.

Sicherheit

Generell sollte man bei Reisen in Ost-Timor immer die aktuelle Sicherheitslage im Blick behalten. Während unserer Zeit wurden in der Region um Maucau mehrere Menschen getötet, ein Polizist entführt und sein Auto angezündet. Meist sind diese Unruhen politisch motiviert. Nach Außen werden die Konflikte von rivalisierenden Martial Arts Gruppen getragen. Etwa sieben davon sind national bekannt. Einige Gruppen sympathisieren noch immer mit den ehemaligen indonesischen Besatzern, während die Gegenfraktion für die Unabhängigkeitskämpfer votiert. Zwar sind Europäer nicht Ziel nationaler Auseinandersetzungen, doch man sollte auch nicht zur falschen Zeit…

DSC_1023Wir hatten hinter Baucau eine Reifenpanne. Es dauerte keine 5 Minuten bis das ganze Dorf um uns herum stand. Viele waren neugierig, einige großspurig. Der Chefschrauber des Dorfes, der uns schlussendlich weiter half, nannte sich Osama Bin Laden. Er war sicher kein Kämpfer im Sinne Al Qaidas, verstand sich aber wohl als Revolutionär in Opposition zur aktuellen Regierung in Dili.

In Dili sind Isi und ich stundenlang durch die Straßen gewandert und haben höchstens verwunderte Blick geerntet. Auch außerhalb haben wir keine Kriminalität gespürt, doch Menschen in Dili blicken immer mit wachsamen Augen nach Baucau, dass als Hochburg der Opposition gilt. Englischsprachige Medien gibt es noch nicht viele in Ost-Timor. Eine tagesaktuelle Medienzusammenfassung findet man im Guide Post Magazin. Das PDF wird täglich aktualisiert und bietet eine Zusammenfassung von Meldungen aus verschiedenen Medien (Radio, TV, Pressemitteilungen usw.).

Fazit

DSC_0732Ost-Timor ist sicher kein einfaches Land für Individualreisende. Es gibt noch keine ausgeprägte Infrastruktur und die wenigsten Backpacker sprechen Tetum (Landessprache) oder Indonesisch. Ein paar mehr vielleicht noch portugiesisch. Zudem liegt das Preisniveau für Unterkunft und Nahrung auf einer Höhe mit Deutschland. Für eine Packung Reis (dem asiatischen Grundnahrungsmittel) zahlt man in Dili etwa 3,50 USD. Ein Gericht im Restaurant kostet gerne 15 – 20 Dollar. Generell ist die Versorgung mit Waren außerhalb Dilis sehr eingeschränkt.

Das heißt keines Wegs, dass man in Ost-Timor nicht reisen kann. Wir haben dort zwei wundervolle Wochen verbracht. Es gibt vieles zu entdecken. Die Einheimischen sind noch nicht genervt von den Horden an Touristen und man ist als Reisender selbst eine Attraktion. Ein bisschen Sprachkenntnis oder tetum sprechende Führer sind aber unabdingbar. Außerhalb der größeren Städte sprechen die Menschen selten Englisch.

Disclaimer: Wir hatten durch familiäre Bande ein paar Vorteile, wie Logis und Transport Plus zahlreiche Kontakte zu den Einheimischen, die uns die Besonderheiten von Ost-Timor näher gebracht haben. An dieser Stelle nochmal ganz vielen Dank an die Familie sowie Si, Vito, Edio und Jorge. Ohne euch wäre unser Trip deutlich komplizierter geworden.

Filmtipp: 1975 wurden fünf ausländische Fernsehjournalisten in Grenznähe zu Indonesien ermordet. Die als Balibo-Five bekannt gewordenen Journalisten starben als Vertreter der internationalen, unabhängigen Presse bei dem Einmarsch der Indonesier. Der 2009 produzierte Film Balibo erzählt ihre Geschichte und die von Roger East, einem australischen Journalisten, der versuchte das Schicksal der Balibo-Five aufzuklären (Kompletter Film auf YouTube).

DSC_0713Der kommt sicher durch den TÜV.

DSC_0715Schneewitchen und die sieben Zwerge vor dem Regierungspalast in Dili. Frohe Weihnachten.

DSC_0721Cemeterio Santa Cruz in Dili.

DSC_0739Singende Schildkröte hinter White Sands auf dem Weg zu Christo Rei.

IMG_3992Dili von oben.

IMG_4000Zwei Männer ein Thema.

DSC_0754Eine Ziege auf dem Dach. Eine Ziege auf dem…

DSC_0758Die German Wedding-Crasher unterhalb der Papst-Statue in Dili.

IMG_4023Black Rock Restaurant. Beliebter Ausflugspunkt etwa 30 Min. von Dili mit dem Auto.

IMG_4051Straßenshopping mit Rita und Rozy.

DSC_0788Sonnenaufgang auf Ost-Timors Bergkette.

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Der, der hier drunter liegt, war bestimmt mal wichtig.

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Hütten traditioneller Bauart.

DSC_0802Typische Hauptstrasse eines Dorfes auf dem Weg von Dili nach Jako Island.

DSC_0817Blick von Jako Island auf die Hauptinsel.

DSC_0858Das Lakumorre Guesthouse gegenüber von Jako-Island.

DSC_0844Das Essen bringt man lieber selbst mit.

DSC_0968Klassischer Trek für Überlandfahrten.

DSC_1003Ost-Timor ist unübersehbar christlich. Die Portugiesen haben ganze Arbeit geleistet.

DSC_1028Gruppenfoto mit Osama (rotes Muscle-Shirt) und seiner Schraubercrew. Oder besser: die Jungs aus dem Dorf.

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