Auferstanden aus Ruinen

Ist der Tourismus um Angkor Wat wortwörtlich, denn die unzähligen Tempel befanden sich für Jahrhunderte im Dornröschenschlaf. Erst Anfang der 1900er Jahre begannen die ersten Restauratoren, die Tempel wieder begehbar zu machen. So ziemlich alles was wir heute besichtigen können befindet sich in einem restaurierten oder teilrestaurierten Zustand. Schätzungsweise Hunderttausende besichtigen die Bauwerke jedes Jahr. Eine ganze Region lebt davon.

Zahlreiche Besucher kommen aus der thailandischen Hauptstadt Bangkok. Von dort gibt es viele Verbindungsmöglichkeiten: mit dem Bus, der Bahn oder dem Flugzeug. Preisbewusste Reisende entscheiden sich meist für den Bus und buchen eine Fahrt an die Thailändisch-Kambodschanische Grenze, um von dort, mit einem Taxi weiter nach Siem Reap zu fahren.

Seam Reap: Der Ausgangspunkt für viele Tempeltouristen.Siem Riep ist das Auffangbecken für alle Tempelgucker, Relieffummler und Stelenschupser, die nach harter Fotosafari irgendwo ein Bier trinken oder schlafen wollen. Der Lonley Planet schreibt über das Touristenörtchen, es gäbe dort mehr Gästehäuser und Hotels als Tempel in ganz Angkor Wat. Das klingt schlimmer als es ist. Natürlich gibt es hier einen obligatorischen Nightmarket (liebevoll auch Touristenstrich genannt), internationale Küche und unglaublich viele Massagestudios. Dennoch ist Siem Reap fast beschaulich in seiner Größe. Wer das typisch asiatische Chaos schon an anderen Orten kennen und lieben gelernt hat, den wird Siem Reap nicht beeindrucken. Wenige hundert Meter abseits der Pub Street wird es schnell ruhig.

Unsere Busreise von Bangkok nach Siem Reap gestaltete sich weniger aufregend, als die Berichte zahlreicher anderer Blogger vermuten lassen. Die Grenze bei Poi Pet hat einen legendären Ruf, der sich darauf begründet, dass seit langer Zeit die kambodschanischen Visas nur durch einen kleinen Beitrag in die Teekasse der Beamten ausgestellt werden. Zusätzlich rufen die Tuk-Tuk und Taxifahrer hier besonderns fantasievolle Preise auf. Ein bisschen Recherche macht aus dem großen Abenteuer jedoch einen überschaubaren, zwei Stunden dauernden Stempelmarathon (Beitrag in die Teekasse inbegriffen, aktuell 100 Baht pro Visum).

Die modernen Menschenschleuser schicken uns zum richtigen Ausgang. Tschö Thailand.Das klassische Touristenvisum kostet seit Anfang Oktober 2014 genau US$30. Die kambodschanischen Beamten haben über ihrem Schalter ein Schild, das die korrekten Gebühren ausweist. Auf ihrem Schalter liegt jedoch ein hangeschriebener Zettel, der die Kosten mit US$30 + 100 Baht pro Person angibt. Beim Bezahlvorgang gestikulieren sie wild auf den Zettel und weisen auf die 100 Baht hin. Wir haben ihnen gesagt, wir hätten kein weiteres Thaigeld mehr und haben so immerhin 100 Baht gespart. Nach dem dritten Versuch uns Geld abzuluchsen, haben sie die Pässe resigniert dem Schalterbeamten weiter gereicht. Ich schätze hinter uns standen einfach noch zu viele Melkkühe, die sie nicht verschrecken wollten. Laut einiger Reiseberichte kann man den Beitrag für die Teekasse einfach ganz aussitzen.

Movetocamodia.com enthält eine klasse Anleitung zur Überquerung der Grenze bei Poi Pet, samt Empfehlung eines guten Busunternehmens. Die Reise von Bangkok aus dauert etwa 8 Stunden (Warten an der Grenze mit eingerechnet) und kostet aktuell 750 Baht (18 Euro). Einige Mahlzeiten (oder besser Snacks) und sogar ein Tuk-Tuk-Transfer zum Gästehaus oder Hotel in Sieam Reap sind im Ticketpreis imbegriffen. Wir sind dem Blogeintrag gefolgt und können die dort angegebenen Informationen bestätigen.

Zeit, Geld, Verpflegung

Angkor Wat Touristenkarte.Wer Angkor in Ruhe besichtigen will, sollte ein paar Tage Zeit einkalkulieren. Mindestens drei sollten es schon sein. Mit einem 24 Stunden-Pass kann man zwar den Haupttempel besichtigen, bekommt aber kein Gefühl für die unglaubliche Dimension der Tempellandschaft, die sich dahinter verbirgt. Ein Dreitagespass kostet aktuell US$40 und ist eine Woche gültig. Damit kommt man in alle Tempel der Umgebung hinein. Die Tempel liegen teilweise kilometerweit auseinander, sodass man pro Tag entweder ein Fahrrad, ein Mofa oder noch besser ein Tuk-Tuk mieten sollte, um die Distanzen zu überbrücken. Wir haben für unsere 5-6-stündigen Tuk-Tuk-Fahrten etwa US$20 bezahlt. Den Fahrer konnten wir beliebig oft anhalten und nach den Tempelbesichtigungen noch zu Supermärkten, ATMs und ähnlichem lotsen.

Wer einen ganzen Tag in der Tempelwelt unterwegs ist, sollte sich vor der Abfahrt mit einigen Snacks und ausreichend Wasser versorgen. Zwar kann man zwischen den Tempeln an jeder Ecke etwas kaufen, doch die Preise betragen hier das Vierfache von dem, was man in der Stadt bezahlt (und dort ist es in den Restaurants teilweise schon teuer). Wir haben unseren Fahrer manchmal drei oder vier Stände anfahren lassen, bevor wir etwas kauften. Ein Mittagessen für US$5 ist einfach US$3 zu teuer. Nur wenige Händler und Bedienungen lassen mit sich handeln, denn es gibt genug Kundschaft.

Hin, Rein, Wow, Raus, Next

Preah Khan ( („Heiliges Schwert“)Die Besichtigungen gestalten sich bei allen Tempeln ähnlich. Der Fahrer hält an einem der Tempel, zeigt auf den Eingang und verdeutlicht, wo man wieder in das Tuk-Tuk zusteigen kann. Viele Tempel verfügen über 4 Eingänge und beanspruchen ein großes Areal. Daher kann man meist den Tempel in Ruhe erkunden, während der Fahrer das Areal umrundet und auf der anderen Seite wieder in sein Gefährt steigen. Die Fahrer warten derweil geduldig in ihren Hängematten. An den Eingängen werden die Angkor-Pässe der Besucher kontrolliert. Also immer den Pass griffbereit haben.

Den Tempeln sieht man auf den ersten Blick kaum an, dass sehr viel Restaurationsarbeit geleistet wurde, schließlich wuchern Bäume, Moose und genügend anderes Grünzeug auch heute noch wieder zwischen den Steinblöcken. Lediglich die vielen Holzstützen und Metallklemmen deuten darauf hin, dass viele Tempel ohne die menschliche Hilfe längst wieder der Schwerkraft erlegen wären . Ausführliche Infotafeln weisen auf die Besonderheiten der Götterhäuser hin und auf den Vorher-Nachher-Bildern wird dem Besucher deutlich, wie viel von dem, was er heute besichtigt, wieder aufgebaut wurde und wird. No-Entry-Schilder verperren daher den ein oder anderen Weg der Möchtegernentdecker.

Rudelbildung bei den chinesischen Besuchern.Trotz der Popularität von Agkor Wat findet man immer wieder Ecken, die man für wenige Momente mit niemandem teilen muss. Wer einfach auf der Hauptachse von Ost nach West (oder Nord nach Süd) marschiert, hat natürlich immer Gesellschaft. Denn die Busladungen mit Chinesen folgen alle dem Führer mit dem Bärchen am Schirm und verlassen selten den Pfad. Auf den Seitenpfaden verstecken sich gerade die interessanten Perspektiven und Motive, die noch nicht 1000fach fotografiert wurden. Wer vier oder fünf Tempel pro Tag besichtigt, wird es nach dem Urlaub trotzdem schwer haben, die einzelnen Fotos den Tempeln zuzuordnen. Jeder Tempel hat zwar seine Besonderheiten, doch es gibt ebensoviele Gemeinsamkeiten (für das Auge eines Amateurs).

Scams und andere Ablenkungen

Tatkräftiges Verkaufspersonal am Ausgang eines Tempels.Über die Fantasiepreise der Restaurants habe ich schon berichtet. Vor jedem Tempeleingang haben sich mittlerweile fliegende Händler postiert. Ohne das obligatorische Hello Sir, Hello Lady a cold drink? im Ohr kommt niemand zu seinem Tuk-Tuk. In einigem Tempeln, besonders im touristischen Epizentrum in und in direkter Umgebung von Angkor Wat, versuchen Kinder Postkarten, Bücher, Armreifen usw. zu verkaufen. Dabei halten sie den Besuchern die Verkaufsobjekte unter die Nase und wiederholen mantraartig ihren Spruch One Dollar, One Dollar. Ein freundliches Lächeln kombiniert mit Kopfschütteln beendet den Verkaufsversuch meistens.

Etwas nützlicher sind da schon die Polizisten. Wer in manchen Tempeln ein paar Sekunden zu lange stehen bleibt, wird keineswegs verhaftet. Nein. Der Mann in Uniform beginnt freudestrahlend die Besonderheiten des Tempels zu erklären und schleppt den Besucher in Ecken, die man sonst nie gefunden hätte. Zwar ist schon nach wenigen Sekunden klar, dass er diesen Dienst nicht aus reiner Freude an seinem Arbeitsplatz ausführt, dennoch waren diese Überraschungsführungen meist sehr interessant. Kurz vor dem Ausgang wird der Polizist dann um eine freundliche Spende bitten. Je nach Engagement war uns das 50 Cent bis 1 Dollar wert. Wer keine Überraschungsführung mitmachen will, kann das dem netten Beamten freundlich mitteilen und er wird sich schnell dem nächsten Touristen zuwenden. Wahrscheinlich kann man nach der Führung auch ohne Spende flüchten, aber das wäre irgendwie unfair. In den Tempeln lauern zudem Betbrüder (nicht die in den Safrangewändern, mehr so im Amateurlumpenlook) und versuchen das Glück mit einem Räucherstäbchen zu verkaufen. Wer zugreift darf sich über das darauf folgende Spendengesuch nicht wundern.

Wie eine Burgentour am Rhein

Ta Som: Gopura mit Bildnis des LokeshvaraDie Tempel um Angkor Wat sind beeindruckend, teilweise überwältigend. Architektonische Meisterwerke ihrer Zeit und auch heute ist ihre Bedeutung unbestritten. Bei einer dreitägigen Besichtigungstour kann man gut und gerne ein knappes Dutzend Tempel besuchen. Alle für sich einzigartig. Jedoch beginnen sich für den Besucher nach einer Weile die Abläufe zu wiederholen. Vereinfacht gesagt: Der Besucher rennt stundenlang durch große Steinhaufen, die nur noch stehen, weil Menschen sie wieder aufgebaut haben und weiß schon nach dem dritten Tempel nicht mehr, wer den ersten erbaut hat. Es ist ein bisschen wie mit dem Schnellboot den Rhein entlang zu fahren und innerhalb von drei Tagen zwölf Burgen zu besichtigen. Jede für sich außergewöhnlich, jede einzigartig. Aber wer hat nochmal die erste Burg gebaut?

Trotzdem bleiben großartige Eindrücke. Wer nach Kambodscha kommt und Angkor Wat nicht gesehen hat, der hat eines der größten Bauprojekte der Menschheit verpasst. Egal wie häufig sich die Abläufe wiederholen, wieviele Steine und Baujahre in diesem oder jenem Tempel stecken. Angucken und hinterher davon erzählen. Dieser Platz ist einzigartig auf der Welt.

Unsere Favoriten

Banteay Srey ( „Zitadelle der Frauen“)
Banteay Srey ( „Zitadelle der Frauen“). Etwa 40km von Angkor Wat entfernt. Zahlreiche, schöne Steinreliefs, gut erhaltene Statuen, kaum Betrieb.

Landmine Museum Angkor
Das Landminenmuseum in Angkor. Gegründet von dem ehemaligen Soldaten Aki Ra, der zeitweise für die roten Khmer und zeitweise für die Vietnamesen gekämpft hat. Unglaubliche Exponate die zeigen, wie grausam der Mensch sein kann. Kostet mitttlerweile $5 Eintritt, die aber gleichzeitig dem angeschlossenen Waisenhaus zu Gute kommen.

Banteay Samre ( „Festung der Samré“)
Banteay Samre ( „Festung der Samré“). Ein Tempel wie eine Burgfestung. Großartig restauriert. Einfach durch die Gänge schleichen oder im Innenhof die Architektur bewundern.

Ta Som: Einfach geil.
Ta Som. Lohnt sich nur wegen genau diesem Eingang. Sieht vor Ort noch unglaublicher aus.

Ta Prom
Ta Prom. Nicht weil Angelina Jolie im ersten Tom Raider Film durch den Tempel flitze, sondern weil der Tempel ursprünglich und mit der Natur verwachsen ist. Überall klettert das Moos über die Steine, die noch zahlreich in den Gängen verstreut liegen. Hier kann sich der Besucher noch ein bisschen wie Indiana Jones fühlen. Mittlerweile stehen einige Holzplattformen vor den bekanntesten Filmmotiven. Die kann oder muss man einfach umgehen, da sie meist von 100 Chinesen belagert werden, die alle Fotos mit einem Selfi-Stick machen wollen.

Bayon Tempel
Bayon Tempel. Unzählige Gesichter starren von den Wänden und Türmen des Tempels. Ein einzigartiger Anblick.

Das waren unsere Empfehlungen. Leider liegen sie so verstreut, dass man mind. zwei Tage braucht, um alle zu sehen. Vielleicht fragt sich der Leser warum Angkor Wat in der Liste fehlt. Nun, Angkor Wat fanden wir als Tempel weniger spektakulär als die eben genannten. Vielleicht liegts am Mythos, der die Erwartungen so hoch schraubt. Größe ist eben nicht alles.

Weitere Fotos zu Angkor Wat und allen anderen Tempeln findet ihr in der Galerie.

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